16.10.2024

Holacracy: Die Zukunft der Arbeit oder nur ein Traum?

Holacracy bietet ein innovatives Betriebssystem, das starre Hierarchien durch flexible, selbstorganisierte Teams ersetzt. Es fördert Transparenz, Eigenverantwortung und schnelle Anpassung. Doch ist es (heute schon) umsetzbar oder bleibt es ein unrealistischer Traum?

In den letzten Jahrzehnten hat sich unsere Arbeitswelt radikal verändert. Begriffe wie Agilität und Selbstorganisation sind längst keine Fremdwörter mehr, sondern zentrale Pfeiler moderner Arbeitsmethoden. Viele Unternehmen, Führungskräfte und Teams setzen bereits auf diese Konzepte, doch was steckt wirklich hinter diesen Begriffen? Eine genauere Begriffsbestimmung zeigt, dass diese Ideen oft missverstanden oder nur teilweise umgesetzt werden. Agilität bedeutet nicht nur schnelle Anpassungsfähigkeit, sondern auch eine Kultur der ständigen Reflexion und Verbesserung. Selbstorganisation erfordert hingegen mehr als nur flache Hierarchien – sie verlangt ein hohes Maß an Eigenverantwortung und eine klare Rollenverteilung. 

Doch was kommt danach? Wie sieht die nächste Stufe aus? Die Antwort könnte in einem Konzept namens Holacracy liegen – der nächsten Evolutionsstufe agiler Arbeitsweisen, die uns zeigt, wie wir uns in Zukunft organisieren könnten. 

Holacracy klingt auf den ersten Blick wie eine Mischung aus Science-Fiction und Management-Jargon. Doch dahinter steckt eine ernsthafte Idee, die bereits in einigen Unternehmen umgesetzt wird und das Potenzial hat, die Art und Weise, wie wir arbeiten, grundlegend zu verändern. 

Was ist Holacracy?

Holacracy ist mehr als nur ein weiteres Buzzword im Innovationsdschungel. Es handelt sich um ein Betriebssystem für Organisationen, das traditionelle hierarchische Strukturen durch ein flexibles, selbstorganisiertes Netzwerk ersetzt. In einer Holacracy gibt es keine festen Chef:innenpositionen im klassischen Sinne. Stattdessen werden Verantwortlichkeiten auf verschiedene Rollen verteilt, die sich je nach Bedarf dynamisch ändern können. Diese Rollen sind genau definiert und geben den Mitarbeitenden die Freiheit, ihre Aufgaben selbstständig zu gestalten und Entscheidungen zu treffen, ohne auf Anweisungen von oben warten zu müssen. Die Verankerung von Selbstorganisation und Agilität ist somit eine Voraussetzung. 

Die holokratische Organisation:

Das Besondere an Holacracy ist die Struktur der Kreise und die Art und Weise, wie Entscheidungen getroffen werden. Anstatt in starren Abteilungen zu arbeiten, sind die Mitarbeitenden in sogenannten Kreisen organisiert. Jeder Kreis ist für einen bestimmten Bereich oder Prozess im Unternehmen zuständig und arbeitet weitgehend autonom. Innerhalb dieser Kreise gibt es festgelegte Rollen, die jedoch flexibel angepasst werden können, wenn sich die Anforderungen ändern. 

Entscheidungen werden in Holacracy nicht von oben nach unten diktiert. Stattdessen gibt es regelmäßige Entscheidungs-Meetings, in denen die Mitglieder eines Kreises zusammenkommen, um über die Verteilung von Rollen und Verantwortlichkeiten zu diskutieren und diese bei Bedarf anzupassen. Jede:r im Kreis hat die Möglichkeit, Vorschläge einzubringen und Bedenken zu äußern. Diese Meetings fördern Transparenz und Eigenverantwortung, und sie stellen sicher, dass sich die Struktur des Unternehmens kontinuierlich an die aktuellen Bedürfnisse anpasst.

Warum Holacracy jetzt relevant ist

Die letzten Jahre haben gezeigt, dass Unternehmen, die sich schnell an Veränderungen anpassen können, deutlich im Vorteil sind. Holacracy könnte genau die Antwort sein, um Unternehmen flexibler und widerstandsfähiger zu machen. Durch die Auflösung starrer Hierarchien und die Einführung selbstorganisierter Teams fördert Holacracy Kreativität und Innovation. Mitarbeitende fühlen sich stärker eingebunden, was die Motivation und letztlich auch die Qualität der Arbeit steigert. Zu guter Letzt wird die Schnelligkeit und Reaktionsfähigkeiten gesteigert und die Effizient erhöht – mit Blick auf den Fachkräftemangel nicht unerheblich. 

Ist Holacracy realistisch?

Doch ist Holacracy wirklich eine realistische Vision für die breite Masse der Unternehmen? Ehrlich gesagt: Nein, zumindest nicht in naher Zukunft. Der Übergang zu einem holakratischen System erfordert tiefgreifende Veränderungen in der Unternehmenskultur und der Struktur, die nicht von heute auf morgen zu bewältigen sind. Besonders für große, etablierte Unternehmen kann dieser Wandel eine immense Herausforderung darstellen. Je komplexer Verflechtungen und Abhängigkeiten im Unternehmen, desto mehr geht die Tendenz zu einzelnen Entscheidungsträgern und stabilen Management-Komitees. Es gibt bereits Vorreiter wie Zappos, das Holacracy eingeführt hat, aber solche Erfolgsgeschichten sind bisher eher die Ausnahme als die Regel. Viele Unternehmen werden noch einige Zeit brauchen, um sich auf diesen radikalen Wandel einzulassen – wenn überhaupt.  

Was Unternehmen von Holacracy lernen können

Auch wenn Holacracy in seiner reinen Form für viele Unternehmen derzeit nicht umsetzbar ist, gibt es dennoch wertvolle Prinzipien, die sich übernehmen lassen: 

  • Flexiblere Rollenverteilung: Unternehmen können die starren Jobbeschreibungen aufweichen und Mitarbeitenden ermöglichen, ihre Rollen dynamisch zu gestalten, basierend auf aktuellen Projekten und Anforderungen.
  • Förderung von Eigenverantwortung: Die Einführung von mehr Selbstverantwortung kann dazu beitragen, dass Mitarbeitende stärker in Entscheidungen eingebunden werden und sich mit den Unternehmenszielen identifizieren. Ein Schlüssel dafür, ist die Reduktion von Komplexität und gleichzeitige Erhöhung der Transparenz durch die aktuellen Führungskräfte/Entscheidungsträger:innen.
  • Servant Leadership: Die Führungskraft als Coach, und nicht als Entscheider:in, fördert Autonomie und Eigenverantwortung. 
  • Transparenz in Entscheidungsprozessen: Regelmäßige Meetings, in denen Rollen und Verantwortlichkeiten reflektiert und angepasst werden, können dazu beitragen, dass Strukturen transparent bleiben und schneller auf Veränderungen reagiert werden kann. 

 

Holacracy mag ein ambitioniertes Ziel für die Zukunft sein, aber die Prinzipien, die dahinterstehen, sind heute schon umsetzbar. Unternehmen, die bereit sind, sich auf diese Ideen einzulassen, werden langfristig flexibler, innovativer und wettbewerbsfähiger sein. Die Reise zu einer vollständig holakratischen Organisation mag noch weit entfernt sein, aber die ersten Schritte dorthin können schon heute gegangen werden.  

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Pia Großhans

Managing Consultant | Scaled Agile Lead

Mick Peters

Implementation and PM Strategy