05.12.2022

Warum Diversity-Arbeit eine Reise ohne Endziel ist.

Anlässlich unseres Abschneidens unter den Top 5 der mittelständischen Unternehmen im PRIDE Index 2022, haben wir uns mit unserem CEO, Christophe Campana, und dem Leiter unseres LGBT*IQ-Netzwerks SCOUT, Jan Küther, zu einem ausführlichen Interview getroffen.

Gesprochen haben wir unter anderem über die tolle Platzierung beim PRIDE INDEX, aber auch über die Grundwerte bei CS, die Gründung neuer Communities und warum das Thema Diversity-Arbeit eine Reise ohne Endziel ist.

 

Viel Spaß beim Lesen!

Seit 2 Jahren nehmen wir am Pride Index teil. Dieses Jahr konnten wir den GOLD-Status als Pride Champion erlangen und nun haben wir eine Platzierung unter den Top 5 der mittelständischen Unternehmen erlangt.

Wie stolz macht Euch das?

Jan (JK): Das macht uns natürlich wahnsinnig stolz! Vor allem, wenn man die Bandbreite der Unternehmen anschaut, die mitgemacht haben. Dass wir es im Bereich der mittelgroßen Unternehmen unter die Top 5 geschafft haben, ist richtig cool.

Es ist vor allem eine Bestätigung für das SCOUT*-Team, das Arbeit und Herzblut investiert, um Campana und Schott zu diesem offenen und freundlichen Ort für die LGBT*IQ-Community zu machen, der wir heute sind.

Christophe (CC): Ja, auch ich bin natürlich unglaublich stolz. Das Ergebnis hat unsere Erwartungen übertroffen.

Aber man muss klar sagen, dass die Ehre unserer SCOUT-Community gebührt! Mit ihrem Engagement, ihrer Energie, ihrer Kraft und ihrem Ideenreichtum hält sie uns positiv in Atem und treibt uns nach vorne.

Deshalb freue ich mich insbesondere für das ganze SCOUT-Team, dass es mit dieser großartigen Platzierung eine Würdigung ihrer Arbeit erhält.

Wir als Unternehmensleitung versuchen natürlich den geeigneten Rahmen zu schaffen, die Impulse der Community aufzunehmen und dort zu unterstützen und zu fördern, wo es uns möglich ist.

 

Christophe, wo wir beim Thema ‚Rahmen setzen‘ sind. Menschlichkeit ist einer unserer zentralen Unternehmenswerte bei CS. Was bedeutet das konkret in Bezug auf unsere LGBT*IQ-Community?

CC: Fangen wir erstmal damit an, dass das Thema Menschlichkeit eigentlich so selbstverständlich ist, dass ich mich frage, warum das nicht in jeder Organisation zu den Grundprinzipien des Handelns gehört.

Für Eric und mich steckt dahinter ein humanistisches Ideal, bei dem es zentral um den Menschen, seine Entfaltung, seine Freiheit und den Respekt gegenüber jedem Individuum geht.

Menschlichkeit und Offenheit sind Grundwerte, die wir einfach immer so gelebt und praktiziert haben und in unsere Organisation überführt haben.

Und dazu zählt selbstverständlich auch, dass sich bei uns auch sogenannte Minderheiten wohlfühlen. Wir möchten verstehen, wo bei ihnen der Schuh drückt.

Auf unsere LGBT*IQ-Community bezogen bedeutet das, dass wir Menschlichkeit als zentralen Unternehmenswert dank unseres SCOUT-Netzwerks sehr konkret mit Leben füllen können.

 

Du engagierst Dich seit Jahren nicht nur intern für die Anliegen unserer LGBT*IQ-Community, sondern trittst auch als Speaker und Ally der Community in Deutschland auf und bist entsprechend gut vernetzt.

Du hast gerade angesprochen, dass Du verwundert bist, dass dieser humanistische Ansatz immer noch nicht selbstverständlich in vielen Organisationen verankert ist. Wie betrachtest Du die Entwicklung in der Gesellschaft und in anderen Unternehmen beim Thema Diversity?

CC: Also was den Weltzustand anbelangt bin ich tatsächlich eher melancholisch, wenn nicht gar enttäuscht. Ich dachte, wir seien als Gesellschaft schon viel weiter, egal ob beim Thema ethnischer Vielfalt, sexueller Orientierung oder der Akzeptanz unterschiedlicher Glaubensrichtungen.

Ich bin immer wieder negativ überrascht, wie viel Diskriminierung es noch in unserer Gesellschaft, im Sport oder insbesondere bei der Arbeit gibt. Da gibt es wirklich immer noch sehr viel zu tun.

Selbstverständlich bin ich auch im Austausch mit anderen Unternehmen. Da sieht man zum Thema Diversity-Arbeit alles Mögliche: Von sehr großen Unternehmen, die das unglaublich fördern und vorantreiben bis zu Unternehmen, von denen man hierzu nichts sieht oder hört.

Was ich aber glaube ist, dass die Sensibilität in den letzten Jahren schon deutlich gestiegen ist – unter anderem zeigt sich dies auch an den Debatten um die Weltmeisterschaft in Katar. Das ist auch gut so.

In jedem Fall ist es sinnvoll für Unternehmen, die Vielfalt in ihren Organisationen zu fördern. Denn es macht sie schlicht und ergreifend besser.

 

Jan, nun bist Du seit diesem Jahr der Lead unserer SCOUT-Netzwerkes. Wie nimmst Du die Vielfalt an Netzwerken und Communities bei CS wahr und wie gut klappt es aus Deiner Sicht, aus diesen Communities Impulse in den Rest der Belegschaft zu senden?

JK: Nun, zu Deiner ersten Frage: Wir haben aktuell leider noch nicht so viele Communities, wie wir es uns vielleicht wünschen würde. Neben unserer SCOUT-Community haben wir noch die Genderinitiative, die, wie der Name schon sagt, aktuell eine Initiative ist und unser WoMen@CS-Netzwerk.

Unser Ziel ist es daher, gemeinsam noch stärkere Impulse für Vielfalt zu setzen, damit sich noch mehr Menschen engagieren.

Wir würden uns freuen, wenn auch andere Communities zu weiteren Dimensionen der Vielfalt unseres Teams entstehen und wir andere marginalisierte Gruppen dazu ermutigen können, sich zu beteiligen und bei CS aktiv gestalterisch einzubringen. Denn gerade, wenn wir als Organisation wachsen möchten, werden wir immer mehr Menschen mit unterschiedlicher Herkunft und unterschiedlichen Orientierungen im Unternehmen haben. Uns ist es wichtig, dass sich alle bei CS wohl fühlen können und spüren, dass sie zum Team gehören.

 

CC: Ich bin da ganz bei Jan. Wie gerade erwähnt wurde, hat SCOUT in gewisser Weise einen Vorbildcharakter, wie man Sensibilisierung im Umfeld erzielt. Und das so erfolgreich, dass wir zum Beispiel Auszeichnungen wie den PRIDE INDEX für diese Arbeit bekommen. Deswegen unterstütze ich natürlich den Wunsch, dass sich noch mehr Menschen bei CS engagieren. Ethnische, religiöse oder bestimmte soziale und körperliche Aspekte sind bei uns leider noch fast gar nicht adressiert.

Daher glaube und hoffe ich, dass SCOUT so eine Art Blueprint für neue Communities sein kann.

 

Jan, Du sagtest eben, dass das die Ziele für die kommenden Jahre sind. Gibt es daraus abgeleitet bereits konkrete Ziele für das Jahr 2023, die ihr Euch als Community gesetzt habt?

JK: Ja, definitiv. Ich bin zum Beispiel gerade mit zwei Kolleg:innen im Austausch, die eine ethnische Community aufbauen wollen. Christophe hat uns bei unserem letzten CS Forum zusammengebracht.

Gemeinsam mit den beiden wollen wir eine Art Starter Kit bauen, um andere Communities ohne großen Aufwand zu gründen. Denn man muss sich immer vor Augen führen, dass es mit einer gewissen Hemmschwelle verbunden ist, sich selbst laut zu machen, sich selbst zu äußern, wenn man einer marginalisierten Gruppe angehört.

Der nächste Schritt für uns ist, Intersektionalität als neue Perspektive zu fördern und zu kommunizieren. Wenn man so will, wollen wir schlicht die Realität besser abbilden.

Communities bieten einen Safe Space für die Angehörigen einer bestimmten Gruppe. Hier können sie Ideen und Wünsche aber auch Sorgen und Ängste teilen.

Wir wollen hier aber nicht stehen bleiben, denn die meisten Menschen vereinen mehrere Diversity-Dimensionen in sich. Ein schwuler Mann, der sich bei Scout engagiert, kann gleichzeitig alleinerziehender Vater sein oder eine lesbische Frau kann Mitglied einer ethnischen Minderheit sein.

Um diese vielfältigen Dimensionen besser abzubilden wollen wir die Netzwerke noch stärker zusammenbringen, besser kommunizieren und die Wahrnehmung für die Vielfältigkeit des Menschseins sensibilisieren.

Vielleicht klingt es etwas pathetisch, aber das ist mir ein echtes Anliegen.

Zum Abschluss eine Frage an Euch beide. Wir haben eine hervorragende Platzierung beim Pride Index erzielt, auf die wir alle stolz sein können. Trotzdem die Frage: Wo seht ihr für uns noch Potenziale und Verbesserungsmöglichkeiten bei CS im Bereich LGBT*IQ und Diversity-Engagement?

JK: Ich glaube, das Thema Sichtbarkeit hat noch Verbesserungspotenzial. Wir sind da intern schon ziemlich weit und haben viele Initiativen, die uns visibel machen. Nur ein Beispiel wären unsere Sensibilisierungstrainings für unsere Führungskräfte, die wirklich auch sehr gut funktionieren.

Aber nach außen können wir noch mehr machen. Das fängt bei der Teilnahme am CSD in Frankfurt an, geht über eine einheitliche gendergerechte Sprache in der Außenkommunikation bis hin zu Events für potentielle Bewerber:innen, die wir in unseren einzelnen CS-Locations machen können.

Ein weiterer wichtiger Punkt sind die Schaffung von Safe Spaces, also Orte, an denen man sich ohne Bedenken oder Angst öffnen kann. Wir haben in unserer SCOUT-Community aktuell ca. 12-13 aktive Mitglieder:innen, inklusive Allies. Nur eine Hand voll davon ist offen geoutet. Rein statistisch gesehen, müssten es aber bei unserer Unternehmensgröße noch viel mehr Menschen geben, die Teil der Community sind, bisher aber nicht bei CS out leben. Ob sie sich outen, ist ihre Entscheidung und wenn sie wollen, begleiten wir den Prozess gerne, aber selbst, wenn sie sich nicht vor allen outen möchten, wollen wir ihnen einen Platz bieten, an dem sie sich sicher und wohl fühlen können.

Diese Gruppe anzusprechen, wird sicher ein großes Thema für nächstes Jahr.

 

CC: Aus meiner persönlichen Grundhaltung heraus glaube ich, dass wir bei diesem Thema immer weitermachen müssen und nie zufrieden sein können. Es ist, wenn man so will, eine Reise ohne Endziel. Auch wenn natürlich solche Auszeichnungen wie der PRIDE INDEX und die damit verbundene Anerkennung immer erfreulich sind und mir eine Orientierung geben, wo wir gerade stehen.

Was sich aber nun für konkrete Verbesserungspotenziale in den einzelnen Communities ergeben, da vertraue ich natürlich schon auf deren Ideen und Impulse.

Grundsätzlich sehe ich aber, wie zuvor bereits angesprochen, noch viel Potenzial bei der Gründung neuer Netzwerke oder Communities. Denn wir müssen tatsächlich noch breiter werden in unseren Initiativen für mehr Vielfalt und auch andere Zielgruppen adressieren. Da gibt es noch einigen Nachholbedarf. Denn wir haben bei CS de facto eine unglaubliche Vielfalt, die am Anfang des Unternehmens schlicht noch nicht da war.

Ich kann hier also nur ermutigende Zeichen senden und sagen, dass das ganze Management dahintersteht und wir jeder*m die Hand reichen, der/die in einer solchen Community mitwirken oder Initiative ergreifen möchte. Aber der Impuls muss von den jeweiligen Gruppen selbst kommen. Denn nur im Sinne einer schnellen Verbesserung dieses Umstands top down irgendwelche Maßnahmen zu beschließen, halte ich für wenig zielführend.

Bei aller Empathie, die ich mir irgendwie zuspreche, bin ich in dieser Gesellschaft auch ein sogenannter „Privilegienträger“ und kann mir nicht immer so leicht vorstellen können, wie sich ein Leben ohne diese Privilegien anfühlt. Daher empfinde ich eine gewisse Demut und weiß auch noch sehr gut, wie viel Hilfe ich gebraucht habe, um die Anliegen unserer LGBT*IQ-Community richtig nachempfinden zu können.

 

Lieber Christophe, lieber Jan, vielen Dank für Eure Zeit und das Interview mit Euch.

 

*SCOUT ist das CS interne LGBT*IQ Netzwerk und setzt sich für die Sichtbarkeit der Community ein. Darüberhinaus ist das SCOUT-Team auch erster Kontaktpunkt für Kolleg:innen, die sich der LGBT*IQ Community zugehörig fühlen - inklusive nicht geouteter Kolleg:innen und Allies.

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